Canyoning zwischen wollen und sollen
Liebe Sportsfreunde
Die diesjährige Canyoning-Saison wird ganz im Zeichen der Corona-Krise stehen. Denn seit dem Ausbruch der Pandemie leben nicht nur wir Canyonisten in einem ständigen Dilemma zwischen dem, was wir wollen und dem, was wir sollen. Was wir wollen, ist klar: Möglichst rasch wieder alles tun und lassen dürfen, wozu wir Lust haben – ohne Einschränkungen, genau so, wie es vor der Corona-Krise war. Was wir dagegen tun sollen, predigt uns das BAG schon seit Wochen gebetsmühlenartig vor: Abstand halten, Körperkontakt vermeiden, Hände waschen, in den Ellbogen niessen, keine Menschenansammlungen und so weiter.
Dank diesen Massnahmen (und denjenigen, die sie befolgt haben) konnte glücklicherweise die anfänglich erschreckend rasante Zunahme an Neuinfektionen gestoppt und ein Kollaps des Gesundheitsapperats verhindert werden. Während die vom Bundesrat beschlossenen Anordnungen zielgerichtet und plausibel waren, tun sich die Parlamentarier mit ihren unzähligen Lobbyisten im Nacken sehr schwer damit, den Lockerungsprozess in geordnete und nachvollziehbare Bahnen zu lenken. Wer kann denn schon verstehen, warum wir Canyonisten bei der Ausübung unseres Sports, der notabene im Freien stattfindet, unter Androhung von Bussen die Distanzregeln einhalten müssen, während sich die Leute in den Restaurants wieder ungeniert und ganz legal gegenseitig in's Essen spucken dürfen? (Bitte entschuldige die etwas saloppe Formulierung, aber genau das passiert doch, wenn sich vier Leute an einem normalerweise nicht besonders grossen Restauranttisch ohne Maske – denn die muss man zum Essen ja zwangsläufig abnehmen – gegenüber sitzen und sich dabei munter unterhalten – was die meisten Leute während dem Essen tun, denn sonst könnte man ebenso gut allein an einem Tisch sitzen.) Was ich damit sagen will: Wir werden auf dem langen Weg zurück zur Normalität vermutlich noch vielen solchen widersprüchlichen Situationen begegnen, die manchen Outdoor-Sportler verständlicherweise und manchmal auch zu recht an der Sinnhaftigkeit gewisser Einschränkungen zweifeln lassen. Trotzdem dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass das Corona-Virus weiterhin existiert und uns auch noch in den nächsten Monaten wenn nicht sogar Jahren bedrohen wird. Nach wie vor infiszieren sich tagtäglich Menschen mit dem Virus und für einige von ihnen endet die Ansteckung mit dem Tod – auch in der Schweiz.
Bei aller Euphorie über die wieder gewonnen Freiheiten nach dem Lockdown sind wir deshalb alle dazu verpflichtet, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir uns und unsere Mitmenschen auch in Zukunft vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen können. Wie ein Blick auf die Entwicklung der vergangenen Wochen vermuten lässt, wird der Bundesrat dem Druck der Wirtschaft nachgeben und seine Massnahmen wohl schneller als ihm lieb ist weiter lockern müssen. Das heisst, wir werden wahrscheinlich schon bald wieder selbst darüber entscheiden können, mit wem wir in's selbe Auto steigen wollen, zu wievielt wir an einem Stand hängen dürfen oder ob es Sinn macht, in einen Pool zu springen, durch den kurz vorher schon x wildfremde Personen geschwommen sind. Der Abbau der staatlichen Leitplanken macht die Sache allerdings nicht unbedingt einfacher, denn es erfordert von jedem von uns ein hohes Mass an Eigenverantwortung in einer für uns alle völlig neuen Lebenssituation. Und die Art und Weise, wie wir mit dieser neuen Entscheidungsfreiheit umgehen, wird letztlich darüber entscheiden, wann wir wieder das von uns allen herbeigesehnte, ganz normale Leben werden führen können.
Es liegt in der Natur der Sache, dass Menschen in Krisensituationen sehr unterschiedlich reagieren. Wie sich in den letzten Wochen gezeigt hat, reicht das Spektrum dabei von absoluter Sorglosigkeit bis zum vorbehaltlosen Befolgen sämtlicher von den Behörden erlassenen Vorschriften und Empfehlungen. Auch während des nun einsetzenden Normalisierungsprozesses werden die Meinungen darüber, wie wir uns verhalten sollen, weit auseinandergehen. Da die meisten aktiven Canyonisten in der Schweiz vom Alter her nicht zu einer Risikogruppe gehören und gewisse Empfehlungen wie beispielsweise das Einhalten von Abständen oder das Tragen von Masken beim Begehen einer Schlucht offen gesagt nicht wirklich praktikabel sind, werden die meisten von uns die Empfehlungen des BAG wahrscheinlich bald nicht mehr so ernst nehmen und rasch wieder zu ihren gewohnten Verhaltensmustern zurückkehren. Um einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen und einen zweiten Lockdown zu verhindern, möchte ich dich trotzdem bitten, dich auf deinen Touren bis auf Weiteres an folgende Empfehlungen zu halten:
Sei wenn möglich immer mit den gleichen Personen unterwegs! Je kleiner der Kreis der Personen ist, mit denen du physisch Kontakt hast, desto geringer ist die Wahscheinlichkeit, dass ihr euch gegenseitig mit dem Corona-Virus ansteckt.
Körperkontakt vermeiden! Es gibt im Moment sinnvollere Begrüssungsrituale als sich die Hände zu schütteln oder Küsschen zu geben...
Versuch, die Abstandsregeln einzuhalten! Auch wenn es beim Canyoning manchmal schwierig ist, sich nicht zu nahe zu kommen, halte mindestens dort, wo es ohne weiteres möglich ist, die empfohlene Distanz von zwei Metern zwischen dir und anderen Personen ein! Wenn du in einer Schlucht anderen Canyonisten begegnest, denk bitte daran, dass es unter ihnen Leute haben könnte, die vielleicht mehr Wert legen auf das Einhalten der Abstandsregeln als du selbst und respektiere deren Einstellung.
Je kleiner die Gruppe desto besser. Das BAG schreibt eine maximale Gruppengrösse von 5 Personen vor – wenn ihr mehr Leute seid, teilt euch in mehrere kleine Gruppen auf! In einer kleinen Gruppe ist nicht nur das Infektionsrisiko geringer als in einer grossen, sondern es lassen sich auch die Abstandsregeln besser einhalten.
Notier dir die Namen und Telefonnummern von allen Personen, mit denen du unterwegs warst! Falls du dich infiszierst, können so wenigstens diejenigen, die mit dir Kontakt hatten, gewarnt und dadurch weitere Infektionen verhindert werden.
Wenn du Symptome wie Fieber oder Husten hast und nicht ausschliessen kannst, dass du dich mit dem Corona-Virus infisziert hast, verzichte freiwillig auf Canyoning-Touren!
Vor allem für Anbieter von kommerziellen Touren dürften in diesem Zusammenhang auch die Schutzkonzepte der Swiss Outdoor-Association SOA und des Schweizer Bergführer-Verbands SBV von Interesse sein, die du im Dokumentenbereich findest (Link).
Ich wünsche dir einen schönen Sommer mit vielen erlebnisreichen und unfallfreien Canyoning-Touren.
Christoph Pasoldt, Präsident Schweizer Canyoning-Verein